Fachkräfteeinwanderung
Seit Inkrafttreten des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes zum 01. März 2020 hat die Bedeutung der Arbeitsmigration nochmal zugenommen.
Das liegt auch an den deutlich schnelleren Bearbeitungszeiten. Termine im Visumsverfahren werden an Fachkräfte und Auszubildende auch außerhalb der sog. beschleunigten Fachkräfteeinwanderung binnen weniger Wochen zugeteilt. Voraussetzung ist, dass sofern erforderlich, die Anerkennung der Ausbildung geprüft und der potentielle Arbeitgeber die Vorabzustimmung der Bundesagentur für Arbeit zur Beschäftigt besorgt hat.
Die Ausländerbehörden werden beim Aufenthalt zur Erwerbstätigkeit/Beschäftigung nur bei Voraufenthaltszeiten des Bewerbers im Bundesgebiet (Eintrag im Ausländerzentralregister) beteiligt, §§ 31 Abs. 1 Nr. 2, 34 ff AufenthV. Damit entfällt der Posten, der sonst am meisten Zeit frisst.
Dennoch fürchten Arbeitgeber nach der Studie der Bertelsmann Stiftung zum Fachkräftemigrationsmonitor (2021) Probleme durch rechtliche Hürden, die Schwierigkeit die Qualifikation des Bewerbers einzuschätzen, Verständigungsprobleme und falsche Vorstellungen der Bewerber. Insbesondere die drei zuletzt genannten Themen kann ein Arbeitgeber oftmals im Vorhinein prüfen durch mögliche Praktika (z.B. § 15 BeschV), durch Ferienbeschäftigungen (§ 14 BeschV) oder auch durch ein Visum zur Arbeitsplatzsuche (§ 20 AufenthG). In den ersten beiden Fällen brauchen sog. Positivstaater nicht mal ein Visum; im letzteren Fall schon. Erforderliche Garantien zur Lebensunterhalts-sicherung lassen sich ggfs. durch die Dauer des Visums zur Arbeitsplatzsuche steuern.
Nachfolgend eine kurze Übersicht zum Einstieg in die Arbeitsmigration:
Früher waren nur Akademiker bei der Aufenthaltserlaubnis zur Erwerbstätigkeit privilegiert. Mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz hat der Gesetzgeber die Möglichkeiten auf Fachkräfte mit einer Berufsausbildung und im IT-Bereich auf solche mit berufspraktischen Kenntnissen erweitert.
Aufenthaltserlaubnis für Akademiker
Akademiker (Fachkräfte mit einem deutschen oder anerkannten Hochschulabschluss) können eine sog. Blaue Karte EU erhalten, § 18b Abs. 2 AufenthG. Das setzt voraus:
- deutscher oder anerkannter Hochschulabschluss (Anerkennung: siehe Anabin – H + bedeutete volle Gleichwertigkeit)
- ein Arbeitsvertrag oder eine verbindliche Stellenzusage in einem Betätigungsfeld, das einem Studium angemessen ist
- ein Bruttomindestgehalt von aktuell (2022) € 4.700,00 brutto monatlich bzw. € 3.666,00 brutto monatlich für Mangelberufe wie z.B. Ärzte, Ingenieure und Naturwissenschaftler (hier ist keine Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit erforderlich)
Die Gehaltsgrenzen ändern sich jedes Jahr entsprechend der jährlichen Bemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung.
Vorteile der Blauen Karte EU sind:
- erleichterter Familienzuzug, z. B. keine deutschen Sprachkenntnisse des zuziehenden Ehepartners erforderlich
- Niederlassungserlaubnis abhängig von den Deutschkenntnissen (A2 oder B1) bereits nach 33 bzw. 21 Monaten sozialversicherungspflichtiger Tätigkeit möglich, § 18c Abs. 2 AufenthG
Werden die Gehaltsgrenzen unterschritten, kann die Aufenthaltserlaubnis als akademische Fachkraft, § 18 Abs. 1 AufenthG, beantragt werden. Dann ist eine Zustimmung zur Beschäftigung der Bundesagentur für Arbeite erforderlich.
Aufenthaltserlaubnis für Fachkräfte mit einer Berufsausbildung
Privilegiert sind jetzt auch Fachkräfte mit einer Berufsausbildung, die
- im Herkunftsland eine Berufsausbildung abgeschlossen haben
- in einem staatlich anerkannten oder vergleichbar geregelten Ausbildungsberuf mit mindestens zweijähriger Ausbildungsdauer in Deutschland
- die ausländische Berufsausbildung ist in Deutschland von der zuständigen Stelle (z. B. Handwerkskammer, IHK FOSA) zum Teil oder als gleichwertig anerkannt worden bzw. anerkennungsfähig
Die Anerkennungsfähigkeit wird von den zuständigen Stellen unterschiedlich gehandhabt. So akzeptieren manche Handwerkskammern bereits Ausbildungen im Ausland über einen Zeitraum von einem Jahr.
In der Regel wird die ausländische Ausbildung aufgrund des in Deutschland vorherrschenden dualen Ausbildungssytems nicht voll anerkannt. Mit einem sog. Defizitbescheid der zuständigen Stelle, einer Anpassungsqualifizierung, deutschen Sprachkenntnissen auf dem Niveau A2 und einem potentiellen Arbeitgeber kann eine sog. Nachqualifizierung erfolgen. Diese Aufenthaltserlaubnis nach § 16d AufenthG zielt darauf ab nach der vollständigen Anerkennung als Fachkraft mit Berufsausbildung zu arbeiten.
Vorteil: Fachkräfte mit einer Aufenthaltserlaubnis als Fachkraft (§ 18a und § 18b AufenthG) können die Niederlassungserlaubnis bereits nach vier Jahren Aufenthalt statt fünf Jahren beantragen, wenn die sonstigen Voraussetzungen erfüllt sind, § 18c Abs. 1 AufenthG.
Aufenthalt zur Ausbildung – der Weg zur Fachkraft
Ein guter Weg in die Aufenthaltserlaubnis zur Arbeitsaufnahme ist die Ausbildung in einem in Deutschland staatlich anerkannten Beruf, § 16a AufenthG.
Sie benötigen dafür:
- einen Ausbildungsvertrag bei einem ausbildungsberechtigten Betrieb
- grundsätzlich ein Ausbildungsgehalt von € 909 im ersten Lehrjahr (Stand 2022)
- Deutsche Sprachkenntnisse auf dem Niveau B1
Die Ausbildungsgehälter sind heutzutage meist höher als der Betrag von € 909. Liegt er dennoch darunter, so bestehen Möglichkeiten durch Verpflichtungserklärungen, kostenfreie Unterkünfte durch den Ausbilder, zusätzliches Einkommen durch die während der Ausbildung zulässige ausbildungsunabhängige Arbeitsmöglichkeit von 10 Stunden pro Woche usw. die Lücken zu schließen.
Das beschleunigte Fachkräfteverfahren
Alle vorbezeichneten Aufenthaltserlaubnisse können auch im sog. beschleunigten Fachkräfteverfahren beantragt werden, § 81a AufenthG.
Das Verfahren wird vom Arbeitgeber bei der zuständigen Ausländerbehörde angeschoben. Dafür sind einige Formalien einzuhalten und das Verfahren kostet pro Familie € 411. Dieses Verfahren dient der Beschleunigung durch besondere einzuhaltende Fristen bei einer noch nötigen Anerkennung der Berufsausbildung, Vorabzustimmungen der Bundesagentur für Arbeit und der Ausländerbehörde sowie schnelle Termine bei den Botschaften. Der Einstieg in die beschleunigte Fachkräfteeinwanderung könnte nach meinem Empfinden bei einigen Ausländerbehörden etwas verschlankt werden.
Aufenthaltserlaubnis – jeder darf arbeiten
So wurde es nach Einführung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes in den Medien und von der Politik dargestellt. Aber Achtung! Zu unterscheiden ist der eingeschränkte und der uneingeschränkte Arbeitsmarktzugang.
Auch Fachkräfte – Akademiker wie solche mit Berufsausbildung – sind in den ersten 24 Monaten der Beschäftigung an den Arbeitgeber gebunden, der in der Aufenthaltserlaubnis (grünes Zusatzblatt!) genannt ist. Soll der Arbeitgeber vor 24 Monaten sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung gewechselt werden, ist ein neuer Antrag bei der Ausländerbehörde und ggfs. eine neue Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit zur Beschäftigung erforderlich.
Dies wird immer wieder übersehen. Das liegt wohl an dem relativ kleinen Vermerk auf der Rückseite des elektronischen Aufenthaltstitels: siehe Zusatzblatt (grüner Zettel). Lassen Sie prüfen, ob es Möglichkeiten eines unbeschränkten Arbeitsmarktzugangs gibt.
Neben den ausländerrechtlichen Regelungen können weitere Vorschriften, z. B. aus dem Berufsrecht (Berufsausübungserlaubnis erforderlich) zu berücksichtigen sein.
Arbeitsaufenthalt ohne Ausbildung
Deutlich schwerer haben es Menschen ohne berufliche Ausbildung.
Eine vielfach genutzte Sondervorschrift in den Jahren 2016 bis 2018 ist die sog. Westbalkanregelung, § 26 Abs. 2 BeschV. 2017 kamen die Verfahren aufgrund der Masse an Anträgen und des Wegfalls der Vorabzustimmung der Bundeagentur für Arbeit ins Stocken. Aktuell besteht pro Jahr für den gesamten Balkan ein Kontingent von 25.000 Plätzen. Es besteht hier keinerlei Planungsmöglichkeit, da Termine zur Vorsprache bei den zuständigen Botschaften jeden Monat verlost werden. Wennn ein Los zugeteilt wird, bietet sich aber auch diesen Bewerbern eine Chance. Bereits in Deutschland lebende Arbeitnehmer nach dieser Regelung können auf Antrag den Arbeitgeber vor 24 Monaten sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung nach neuer Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit wechseln.
Beschäftigung von Flüchtlingen
Nicht zu unterschätzen ist die Möglichkeit zur Beschäftigung von Flüchtlingen. Flüchtlinge haben keine Aufenthaltserlaubnis, sondern entweder eine Aufenthaltsgestattung (Asylverfahren) oder eine Duldung (Aussetzung der Abschiebung). Es gibt eine Reihe von sog. sicheren Herkunftsländer (z.B. Balkan, Ghana, Senegal), bei denen eine Beschäftigung verboten ist.
Gute und kurze Infografiken zur Beschäftigung vom Flüchtlingen finden Sie bei https://www.unternehmen-integrieren-fluechtlinge.de.
Weitere Informationen bieten die Downloads der Bundesagentur für Arbeit unter https://www.arbeitsagentur.de/unternehmen/arbeitskraefte/gefluechtete-beschaeftigen.
Geflüchtete aus der Ukraine erhalten einen Sonderstatus (§ 24 AufenthG), der ihnen nach Erhalt der Aufenthaltserlaubnis bzw. einer Vorabbescheinigung jede Erwerbstätigkeit erlaubt.
Soweit einige grundlegende Infos aus dem spannenden Bereich der Arbeitsmigration.